Das Leben mit Kindern ist wie ein endloser Parkour Lauf. Stets um ihre Sicherheit bemüht, versuchen Eltern ihre Sprösslinge bestmöglich über jedwedes Hindernis zu begleiten und Gefahren für sie zu entschärfen. Mit der Zeit jedoch werden Kinder mutiger und neugieriger. Sie wollen Neues ausprobieren und ihr Können unter Beweis stellen. Für Eltern gilt ab diesem Zeitpunkt, ihren Fokus neu auszurichten: Ihre Kinder müssen nicht länger vor den Stolperfallen ihrer Umwelt behütet werden, auch die Umwelt benötigt nun Schutz vor ihren großen und kleinen Entdeckern.
Schäden gehören zum Leben mit Kindern dazu
Vielleicht klingt folgende Situation für Sie vertraut: Nach einer langen Autofahrt erreichen Sie endlich den Parkplatz des Erlebnisbads, vom dem ihre Kinder auf der Rückbank schon seit den Morgenstunden singen. In aller Ruhe stellen Sie den Motor ab und hören – Rumms! -, wie schlagartig ein Problem in ihr Leben platzt. Sogleich springen Sie aus Ihrem Sitz. Sie wünschten, es wäre anders, doch der erschrockene Gesichtsausdruck ihres Kindes lässt keinen Zweifel zu: Beim überschwänglichen Öffnen der Tür hat es versehentlich das Auto neben Ihnen beschädigt. Geduckt, weil Sie es in Wahrheit gar nicht sehen wollen, untersuchen Sie das Resultat: Lackschaden, in etwa so teuer wie zwanzig Schwimmbadbesuche.
Missgeschicke dieser Art können jederzeit geschehen, ob man sie für möglich hält oder nicht. Ohne Frage sind sie ärgerlich, doch sie gehören zum Leben. Sobald jedoch das Eigentum Dritter in Mitleidenschaft gezogen wird, fürchten Eltern ein finanzielles Fiasko auf sie zusteuern. Noch größer wird diese Angst, wenn zudem Personen verletzt wurden. Schadenersatzforderungen können in solchen Fällen existenzbedrohende Ausmaße annehmen.
Was verbirgt sich hinter einer Haftpflichtversicherung?
Den wichtigsten Schutz vor Folgen dieser Art bietet eine Haftpflichtversicherung. Diese deckt anfallende Vermögensnachteile infolge bestehender Schadensersatzforderungen innerhalb ihres Gültigkeitsrahmens ab und bewahrt Versicherte dadurch vor finanziellen Einstürzen. Für Familien ist dabei besonders entscheidend, ob auch die eigenen Kinder diesem Schutz untersteht.
Von einigen Ausnahmen abgesehen, behandeln Privathaftpflichtversicherungen diesen Aspekt nicht als Selbstverständlichkeit. Ein ratsamer Weg ist daher der Eintritt in eine Familienhaftpflicht, von der erwartet werden kann, dass diese auch Kinder mitversichert. Was manch einem jedoch nicht bewusst ist: Auch ein Familientarif fußt auf strengen Richtlinien, wodurch sein Wirksamwerden im Bedarfsfall anders in Erscheinung tritt als viele Versicherte es sich ausmalen.
Für ein besseres Verständnis ist es hilfreich, die Funktionen einer Haftpflichtversicherung zu betrachten. Diese lassen sich in drei Bereiche untergliedern:
- Sie überprüft Haftpflichtansprüche
- Sie wehrt unberechtigte Ansprüche ab
- Sie stellt jene, die sie schützt, von berechtigten Ansprüchen frei
Anders, als die meisten Personen glauben, ist die primäre Aufgabe einer Haftpflichtversicherung somit nicht das Ausbezahlen von Geldsummen für einen Schaden. Es geht viel eher darum, eine konkrete Antwort auf die Frage zu finden, ob der Schadensverursacher überhaupt dafür infrage kommt, als schuldig deklariert zu werden.
Schaden bedeutet nicht immer Schuld
Die meisten Menschen würden ohne Zögern mit Folgendem übereinstimmen: Wenn eine Person einer anderen Person oder deren Besitz Schaden zugefügt hat, muss sie und niemand sonst dafür geradestehen. Nicht anders steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch in §249: Wer einen Schaden verursacht, muss den ursprünglichen Zustand wiederherstellen – notfalls auch mit Hilfe seiner Haftpflicht.
Doch gilt diese Regel wirklich ausnahmslos? Wie ist zum Beispiel ein Schaden zu beurteilen, der durch ein Kind entstanden ist?
Ein Blick in § 828 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zeigt: Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gelten als nicht deliktfähig. Anders formuliert bedeutet dies, dass Kinder unter 7 Jahre für ihre Taten nicht haftbar gemacht werden können. Sie gelten somit als Deliktunfähige.
Die Erklärung dafür lässt sich aus der noch unreifen kindlichen Fähigkeit zur Voraussicht ableiten. Welche Tragweite bestimmte Handlungen nach sich ziehen, können sowohl Jungen als auch Mädchen erst überblicken, wenn ihre kognitiven Fähigkeiten es ihnen ermöglichen. Die deutsche Gesetzgebung geht davon aus, dass diese Bedingung durch Kinder ab einem Alter von sieben Jahren erfüllt wird.
Eine höhere Altersgrenze existiert für Situationen im Straßenverkehr. Hier werden erst unter Zehnjährige zu den Deliktunfähigen gerechnet, allerdings nur, solange ihr Handeln innerhalb des fließenden Verkehrs einen Schaden bewirkt. Wenn ein Kind jedoch, wie im obigen Beispiel, ein stehendes Auto beschädigt, wird es bereits mit sieben Jahren als schuldfähig betrachtet.
Mütter und Väter haften für ihre Kinder – und zwar immer?
Eltern haften für ihre Kinder – so müsste die logische Konsequenz aus der Schuldunfähigkeit eines Kindes lauten. Doch ganz so eindeutig sieht die Wirklichkeit nicht immer aus. Haftbar dürfen Eltern grundsätzlich nur dann gemacht werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Schadensentstehung nicht ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind.
Nehmen Sie beispielsweise an, ein Elternpaar ließe ihr gerade erst sechsjähriges Kind mehrere Stunden unbeaufsichtigt zwischen parkenden Autos auf einem Hinterhof Fahrrad fahren. Kommt es dabei zu einem Schaden, wird das Kind aufgrund seines Alters dennoch als nicht schuldfähig angesehen, ganz im Gegensatz zu dessen Eltern. Da diese ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, werden sie anstelle ihres Kindes für die entstandenen Kosten zur Verantwortung gezogen. Das bedeutet, dass ihre Haftpflichtversicherung zahlen muss.
Die Kriterien für die angemessene Beaufsichtigung eines Kindes entsprechen keinen festen Vorgaben. Je nach Alter, Charakter und Reife eines Kindes werden unterschiedliche Maßstäbe zur Festlegung der optimalen Aufsichtsdichte herangezogen. Ab wann also eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt, hängt davon ab, wie der jeweilige Einzelfall sich darstellt.
Als Orientierung dient bisweilen ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 2009 (Urteil vom 24. März 2009, Az. VI ZR 51/08): Ein unter vierjähriges Kind muss laut dieser Grundlage zu jeder Zeit beaufsichtigt werden, unter Siebenjährige alle 15 bis 30 Minuten, wohingegen ältere Kinder bereits über einen längeren Zeitraum unbeaufsichtigt bleiben können.
Wer zahlt, wenn niemand die Schuld trägt?
Deliktunfähige stehen nicht in der Pflicht, einen angerichteten Schaden zu regulieren. Das Gleiche gilt für Eltern, die ihre Kinder nicht aus den Augen gelassen haben. Doch wer leistet in solch einem Fall Schadensersatz? Die Haftpflichtversicherung?
Die für den Geschädigten ernüchternde Antwort lautet: Niemand. Derjenige, dem ein Schaden entstanden ist, bleibt innerhalb dieser Konstellation darauf sitzen. Die Verursacher dürfen hingegen aufatmen.
Häufig passieren Schäden jedoch im privaten Kreis. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich verbringen sowohl Erwachsene als auch Kinder die meiste Zeit Zuhause oder bei Freunden, Nachbarn und Verwandten. In Verbindung mit einem durch ein Kind verursachten Schadensfall ergeben sich daraus jedoch einige Zwickmühlen: Selbst wenn ein Kind zu jung ist, um als deliktfähig angesehen zu werden und Eltern ihre Aufsichtspflicht im entscheidenden Moment nicht verletzt haben, wird es von ihnen dennoch als Pflicht verstanden, einen finanziellen Ausgleich zu schaffen – obwohl es das Gesetz nicht verlangt. Das gute Verhältnis und die starke Verbundenheit lassen jedoch keine andere Wahl, besonders wenn der Schaden einen großen Umfang angenommen hat.
Viele Haftpflichtversicherungen berücksichtigen derartige Situationen und bieten Tarife, die für Sachschäden bis zu einer Höhe von 5000 Euro durch Deliktunfähige reserviert sind.
Dem Wunsch, die Haftpflicht mit dem Zusatz „Deliktunfähige“ zu ergänzen, wird bereits in vielen Tarifen der privaten Haftpflichtversicherung kostenfrei entsprochen. Sogar erwachsene Deliktunfähige, wie Senioren oder Behinderte, werden von einzelnen Anbietern einer Haftpflicht bis zu einer Schadenshöhe von 10.000 Euro integriert.
Wie lange bleiben Kinder mitversichert?
Der Versicherungsschutz einer Familienhaftpflichtversicherung spannt sich für Kinder in der Regel bis zur Volljährigkeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese leibliche, Adoptiv-, Stief- oder Pflegekinder sind. Selbst über 18-Jährige können unter gewissen Voraussetzungen von der Haftpflichtversicherung ihrer Eltern profitieren. Ein Kriterium bildet dabei der Beziehungsstatus. Nur Kinder, die nicht verheiratet sind, dürfen den elterlichen Versicherungsschutz in Anspruch nehmen. Eheleute hingegen müssen sich selbst um eine passende Haftpflicht bemühen. Darüber hinaus ist auch der Ausbildungsstand ausschlaggebend. Befindet sich das Kind in einer Schul- oder beruflichen Ausbildung, ist es bis zu dessen Ende über die Familienhaftpflichtversicherung der Eltern mitversichert – unabhängig davon, wie alt es ist oder wo es wohnt. Auch während eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ), eines Freiwilligen Wehrdienstes (FWD), eines Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) oder eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) findet diese Regelung Anwendung und gilt erweitert für den Zeitraum, in dem erwachsene Kinder auf einen Studien- oder Ausbildungsplatz warten müssen. Selbst die Wartedauer vor Antritt eines Jobs ist bis zu einem Jahr durch den Versicherungsschutz abgedeckt.
Folgendes sollte jedoch nicht aus den Augen verloren werden: Hat eine Person nach ihrer Erstausbildung die Familienhaftpflichtversicherung verlassen, gibt es nachträglich kein Zurück. Selbst wenn jemand nach vielen Jahren Berufstätigkeit nochmals eine Ausbildung oder ein Studium beginnt, muss er für seinen Versicherungsschutz weiterhin selbst Sorge tragen und kann in der Familienhaftpflichtversicherung nicht erneut mitversichert werden.
Worauf gilt es bei der Versicherungssuche zu achten?
Welches Modell einer Familienhaftpflicht für Elternpaare und Kinder, aber auch andere Deliktunfähige infrage kommt, sollte sich in erster Linie an ihren Leistungen orientieren. Wichtig ist: Durch eine Familienhaftpflicht wird jede in einem Haushalt lebenden Person vor finanziellen Einbußen infolge kleiner und großer Missgeschicke geschützt. Daraus ergibt sich ein hohes Schadensrisiko.
Somit sollte insbesondere bei einer Familienhaftpflicht auf eine entsprechend hohe Versicherungssumme achtgegeben werden. Ebenfalls unter dem Begriff Deckungssumme bekannt, legt dieser Wert fest, welcher Höchstbetrag im Fall einer Schadenersatzzahlung durch die Versicherung ausgeglichen wird. Als empfehlenswerte Orientierung für eine Familienhaftpflicht gilt eine Deckungssumme von 10 Millionen Euro, die sowohl für Personen- als auch Sachschäden eintritt. Die Familie selbst, darunter auch Deliktunfähige, sollte im Idealfall mit nicht weniger als 5 Millionen Euro abgesichert sein.
Sofern gewünscht, ermöglicht eine Familienhaftpflicht obendrein Leistungen in Form einer Forderungsausfalldeckung. Diese springt ein, sobald Versicherte selbst einen Schaden erleiden, die finanziellen Ressourcen des Verursachers jedoch nicht dafür aufkommen können.
Fazit: Familienhaftpflicht als wichtiger Begleiter
Werdende Elternpaare sollten rechtzeitig daran denken, für ihre Kinder eine Familienhaftpflicht abzuschließen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Zusatzklausel „Deliktunfähige“ beziehungsweise „Kinder“ fallen. Mütter und Väter, die ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, aber auch jene, die keinen Fehler begangen haben, können auf diese Weise vor einem finanziellen Absturz bewahrt werden. Zugleich kann Geschädigten Ersatz geleistet werden, selbst wenn keine gesetzliche Pflicht dazu besteht.
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