Die kindliche Sexualität ist ein Themenkomplex, der bei Eltern und auch bei vielen pädagogischen Fachkräften für Verunsicherung sorgt. Dabei kann gerade die Sexualerziehung einen großen Beitrag dazu leisten, dass Kinder ein starkes Selbstbewusstsein entwickeln und sich ein positives Körpergefühl aneignen. Daher sollte man diesen Aspekt der Erziehung und Sozialisation keinesfalls zu kurz kommen lassen. Im Idealfall werden Kinder sowohl in öffentlichen Einrichtungen, als auch zu Hause in ihrer sexuellen Entwicklung unterstützt. Bereits im Kindergarten macht eine Sexualerziehung Sinn.
Was macht kindliche Sexualität eigentlich aus?
Die kindliche Sexualität unterscheidet sich in vielen Punkten sehr stark von der Sexualität Erwachsener. Sie ist gekennzeichnet durch eine immense Neugierde, sich und die direkte Umwelt zu erkunden. Im Gegensatz zu Erwachsenen nehmen Kinder Sexualität aber nicht allein über ihre Geschlechtsteile wahr, sondern empfinden Lust mit allen Sinnen. Die kindliche Sexualität bezeichnet das gesamte Spektrum des sinnlichen Erlebens und geht weit über die Vorstellung hinaus, die Erwachsene von dem Begriff Sexualität haben. Die Sexualität von Kleinkindern und Kindern ist nicht zielgerichtet, sondern nur durch ein situatives Wohlgefühl gekennzeichnet. Der Kontakt zum eigenen oder zu fremden Körpern ergibt sich für Kinder meist aus dem Spiel heraus und bezieht den gesamten Körper mit ein. Schmusen, Kissenschlachten und Doktorspiele, das alles kann unter den Begriff der kindlichen Sexualität subsumiert werden. Ein weiteres Merkmal, das die kindliche von der erwachsenen Sexualität unterscheidet ist, dass Kinder ganz unbefangen mit ihren Lustgefühlen umgehen und ihr Verhalten noch nicht von bestimmten Moralvorstellungen geprägt ist.
Welche Ziele verfolgt die Sexualerziehung?
Die Sexualerziehung von Kindern beinhaltet viel mehr als nur die klassische Aufklärung über die Fortpflanzung. Zunächst einmal steht die Sexualerziehung dafür, den Kindern Raum dafür zu geben sich und ihre Umwelt entdecken zu dürfen. Auch das Spiel mit den eigenen Genitalien sollte dabei nicht von den Eltern oder Erziehern im Kindergarten oder der Vorschule ausgeklammert werden. Auf Fragen der Kinder bezüglich der elterlichen Zuneigung untereinander, dem Unterschied der eigenen Genitalien zu denen von Papa oder Mama oder woher das neue Geschwisterchen eigentlich kommt, ist eine offene und kindgerechte Antwort die beste Lösung. Nur wenn Kinder das Gefühl haben, mit all ihren Fragen und Entdeckungen zu ihren Eltern und Erziehern gehen zu können, werden sie in ihrem kindlichen Selbstvertrauen gestärkt.
Wer das eigene Kind dabei beobachtet, wie es seine Geschlechtsorgane stimuliert, um ein schönes Gefühl zu bekommen, sollte nicht mit Schock oder gar Strafe auf dieses Verhalten reagieren. Die frühkindliche Masturbation ist ein normaler Bestandteil der Entwicklung der eigenen Identität und wird im Idealfall von den Eltern wohlwollend toleriert, solange es in einer sicheren Umgebung stattfindet. Stimuliert das Kind seine Genitalien mitten in der Straßenbahn oder auf einer Familienfeier, so kann ein klärendes Gespräch helfen. Bei diesem Gespräch kann man eine grundsätzlich positive Haltung zur Selbstbefriedigung einnehmen, aber anregen, diese Handlungen besser nur zu Hause vorzunehmen. Auf diese Weise wird die Sexualität des Kindes weder unterdrückt, noch zu sehr in den Fokus gerückt.
Ein weiteres wichtiges Ziel der Sexualerziehung ist die Hilfestellung bei der Entwicklung der kindlichen Geschlechtsidentität. Um zu verstehen, was das Mädchen oder Junge sein eigentlich ausmacht, wollen Kinder die Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern entdecken oder typisch „männliches“ bzw. typisch „weibliches“ Verhalten nachahmen. Viele Kinder spielen Familie, heiraten ihre Sandkastenfreunde oder ahmen eben das Sexualverhalten von Erwachsenen nach. Inspiration für diese Rollenspiele können beobachtete Intimitäten der Eltern oder Fernsehsendungen sein. Für Kinder haben diese intimen Spiele keinen höheren Stellenwert als andere Formen der Beschäftigung. Die Nachahmungen sind nicht im eigentlichen Sinne sexuell aufgeladen, sondern entstehen einfach aus einer natürlichen Neugierde heraus. Kindern Raum für derartige Spiele zu lassen und sie in ihrer geschlechtsspezifischen Identität anzunehmen, lässt sie eine gesunde Beziehung zu sich und ihrem eigenen Körper entwickeln.
Wann sollte mit der Sexualerziehung begonnen werden?
Sexualität begleitet Menschen in der einen oder anderen Form ihr ganzes Leben lang. Schon als Babys genießen Menschen Zärtlichkeit, Geborgenheit und das Gefühl von Haut an Haut. Daher beginnt auch die Sexualerziehung schon mit der Geburt des Kindes. Kuscheln oder eine als selbstverständlich wahrgenommene Nacktheit im eigenen Zuhause sind bereits Bestandteile einer sexuellen Erziehung bei Kleinkindern. Das Tempo gibt das Kind vor. Es sollte in seinem Entdeckungsdrang nicht gestoppt werden und immer ein offenes Ohr für all seine Fragen vorfinden. Die tägliche Körperpflege des Kindes kann eine gute Gelegenheit sein, alle Körperteile zu benennen und ein Gespräch über deren Funktionen zu führen. Scham ist an dieser Stelle völlig unangebracht und auch Eltern sollten ihre Körper nicht vor den Augen der Kinder verbergen.
Doktorspiele bei Kindern
Viele Eltern sind erschrocken, wenn sie ihre Kinder bei Doktorspielen mit Gleichaltrigen vorfinden. Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt, haben Doktorspiele nichts mit den sexuellen Begehrlichkeiten von Erwachsenen gemeinsam. Sie sind nur Ausdruck der kindlichen Neugierde, ob die Körper der anderen Kinder sich genauso anfühlen wie der eigene. Solange diese Spiele im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden, ist an ihnen grundsätzlich nichts auszusetzen. Warnen sollte man das eigene Kind nur vor den Gefahren von spitzen Gegenständen beim Spiel mit fremden Körpern und ihm mit auf den Weg geben, nie etwas gegen den Willen anderer Kinder zu machen.
Das Schwärmen für den gegengeschlechtlichen Elternpart
Auch das Schwärmen für Mutter oder Vater ist ein Ausdruck der kindlichen Sexualentwicklung, findet bereits im Kindergartenalter und Vorschulalter statt und sollte nicht unterdrückt werden. Durch diese Rollenspiele nähern sich die Kinder ihrer eigenen Geschlechtsrolle. Ein Vaterkomplex oder Ödipuskomplex wie Freud ihn beschrieb wird daraus nicht entstehen. Sicher gebundene Kinder zeigen laut Bindungstheorie ein besseres Sozialverhalten im Kindergarten und in der Schule.
Wo kommt mein Geschwisterchen her und was macht ihr da unter der Bettdecke?
In jedem Kinderleben kommt irgendwann der Punkt, wo diese oder ähnliche Fragen nach einer Antwort verlangen. Doch was antworten Eltern auf die Frage, wie das Baby in den Bauch kommt und was sie da im Schlafzimmer tun? Die Frage nach der Herkunft von Babys sollte offen und in den Grundzügen realistisch beantwortet werden. Immer mit dem Hinweis darauf, dass Mama und Papa sich dabei ganz doll lieb gehabt haben. Wird man vom eigenen Kind beim Sex erwischt, sind Panik und Scham unangebracht. Man erklärt dem Kind einfach, dass Mama und Papa ein bisschen Zeit für sich brauchen, um miteinander zu kuscheln und macht nicht viel Aufheben um diesen Zwischenfall. Bemerkt man allerdings eine deutliche Verunsicherung des Kindes aufgrund dieses Zwischenfalls, ist ein längeres Gespräch nötig.